
Thorsten Kunerts Verdienste für den American Football in Deutschland insbesondere im Osten der Republik sind beispiellos. Die Geschichte der Berlin Bullets ist auch die Geschichte von Thorsten. Als Mitglied der ersten Stunde ist er wie kein anderer mit den Bullets verbunden. Als Spieler, Coach und Abteilungsleiter prägte er maßgeblich in den vergangenen 25 Jahren den Verein.
1964 in Merseburg geboren, kam Thorsten zusammen mit seiner Familie 1979 nach Berlin. Dort absolvierte er die 10. Klasse und zog dann ins Erzgebirge, um sich zum Maschinen- und Anlagenmonteur für Haushaltsgroßgeräte beim VEB DKK Scharfenstein ausbilden zu lassen. Im Folgenden kam er als Mitarbeiter im Haushaltsgeräte-Kundenservice und später im Quelle Kundendienst wieder zurück nach Berlin.
Bullets:
Wann hattest du das erste Mal Kontakt zum American Football?
Thorsten:
Anfang der 80er Jahre habe ich meine erste Wohnung erhalten und das erste Mal von einem „komischen“ Sport der Amerikaner gehört. Mit viel rumprobieren mit der Fernsehempfangsantenne im 17. Stock meiner Wohnung in der Kienbergstraße hatte ich irgendwann den amerikanischen Soldatensender AFN empfangen. Von da an hat mich Football gefesselt. Mit meinen geringen Englischkenntnissen habe ich mir diesen Sport autodidaktisch Stück für Stück erarbeitet. Jeden Coach und jeden Spieler habe ich mir damals in schlaflosen Nächten notiert und Positionen und Regeln beigebracht.
Bullets:
Konntest du deine Begeisterung am Football mit Freunden oder Kollegen teilen?
Thorsten:

Nach mancher durchgemachter Nacht, haben mich viele meiner Kollegen für „völlig irre“ gehalten. Obwohl ich ihnen lang und breit alles über American Football erzählt habe gelang es mir nicht, sie von diesem geilen Sport zu überzeugen. So war ich ziemlich allein was das anging. Aber das hat mich nicht gestört, da mich der Sport über alles faszinierte.
Bullets:
Weißt du noch, welchen Super Bowl du als erstes im TV gesehen hast?
Thorsten:

Ja, ganz genau weiß ich das noch. Mein erster Super Bowl, den ich gesehen habe, war Denver Broncos vs Washington Redskins (Super Bowl XXII), wo Doug Williams – der erste dunkelhäutige Super Bowl Gewinner – das Spiel im dritten Viertel noch gedreht hat.
Mein allererstes Football-Spiel, welches ich auf AFN gesehen habe, war jedoch das Spiel der New York Giants vs New York Jets und da mir das Logo der Jets besser gefallen hat, bin ich ein Jets-Fan geworden ohne zu wissen welche Vereinsfarben das Team hat. Hatte ja nur Schwarz-Weiß-Fernsehen.
Und so kam es, dass ich mir damals zum Fasching ein Footballkostüm mit Helm, ein Trikot mit der #7 und dem Namen O´Brien und Hose in Rot gebastelt habe. Leider hat jeder gedacht ich gehe als Eishockey-Spieler. 🙂
Bullets:
Auf dein erstes Live-Spiel musstest du noch etwas warten, bis die Mauer fiel. Sicherlich ein besonderes Erlebnis, Football erstmals live zu erleben?
Thorsten:
Ja, das war wirklich ein Riesending, am 11.08.1990 Rams vs Chiefs im Berliner Olympiastadion. Vom Spiel selbst habe ich nicht viel mitbekommen, da ich meinen mitgekommenen Arbeitskollegen das Spiel erklären musste. Trotzdem war das ein einmalig schönes Erlebnis für mich. Die Atmosphäre der begeistert feiernden Amerikaner, das musst du einfach mal erlebt haben.
Bullets:
Nicht nur du bist eine Bekanntheit im Football, auch dein Sohn Falk ist in deine Fußstapfen getreten und lebt seinen Football-Traum. Wie ist das für dich, ihn heute so erfolgreich zu sehen?
Thorsten:

Mit 6,5 Jahren stand Falk zum ersten Mal auf dem Platz. Er hat bei den Bullets sehr erfolgreich Flag-Football – das seinerzeitige 9er-Flag – gespielt und ist 2000 Norddeutscher Vizemeister und Berliner Meister geworden. Mit dabei waren damals Tobias Brüning, Chris Vöhringer und Felix Eigner.
Als ich ihm nichts mehr beibringen konnte, musste ich ihn zu den Adlern ziehen lassen. Jetzt ist er Offense Coordinator im Männerteam und Jugend Coordinator bei den Rostock Griffins. Ich verfolge den Weg meines Sohnes sehr aufmerksam und freue mich sehr darüber, dass er momentan so erfolgreich ist. Wann immer ich kann, werde ich ihn dabei auch unterstützen. Ich bin sehr stolz auf Falk.
Bullets:
Du warst sportlich erfolgreich, ein begeisterter Coach und hast für die Bullets gelebt. 2011 hattest du dann einen Schlaganfall. Was hat sich dadurch für dich verändert und wie geht es dir gesundheitlich heute?
Thorsten:
Ich habe festgestellt, dass die Leute denken, „ich hab nicht mehr alle Latten am Zaun.“ Dem ist aber nicht so, ich weiß ganz genau wovon ich rede. Das Einzige, was ich nicht mehr kann, ist, ich kann es nicht mehr so zeigen, was ich möchte. Im Coaching könnte ich alles zwar erklären, wüsste aber nicht, ob die Leute es verstehen. Eine simple Erklärung und einfache Worte ersetzen eben nicht den visuellen Input. Du musst halt deine Leidenschaft zum Football nur mit der Stimme rüberbringen. Kannst du machen, aber mit der Bewegung ist die Leidenschaft noch besser zu sehen.
Bereits ein halbes Jahr nach dem Schlaganfall stand ich schon wieder auf dem Platz und arbeitete täglich daran, wieder auf die Beine zu kommen. Ich bin auf einem sehr guten Weg, obwohl das noch ein sehr weiter Weg ist. Aufgeben war noch nie eine meiner Eigenschaften.
Wer mich von früher her noch kennt, weiß dass ich ein sehr lebendiges Männchen war und da möchte ich auch irgendwann wieder hinkommen.
Ich weiß nur, dass ich es ohne meine Frau Tanja, die mir immer zur Seite stand und steht, nie so weit geschafft hätte. Ich liebe meine Frau und bin sehr dankbar, dass ich sie habe.

Von 1991 bis 2000 war Thorsten Spieler bei den Bullets. Seine Stammposition war der rechte Tackle. Er wurde aber auch überall dort eingesetzt wo Not am Mann war.
1995 schaffte er mit den Bullets völlig überraschend den Aufstieg in die Oberliga und konnte 1996 die Liga auch halten. Zum Ende seiner Spieler-Karriere war er sogar Spieler-Trainer, das war aber nicht „das Gelbe vom Ei. Entweder du spielst oder du coachst.“
Als Coach von Männer-, Jugend- und Flagteam stand Thorsten zeitweise 5 Tage die Woche auf dem Platz. 1999 bis 2001 war er zusätzlich noch Position-Coach in der Jugendauswahl Berlin/Brandenburg. 2006/2007 konnte Thorsten als Operation-Manager hinter die Kulissen des NFL Europe Vereins Berlin Thunder schauen. Durch seine dortige Tätigkeit konnte er nach dem Ende der NFL-Europe umfangreiches Trainings-Equipment für die Bullets beschaffen. In den Jahren 2009 bis 2011 gab es eine Kooperation mit dem Siemens-Gymnasium aus der eine großartige Jugendmannschaft hervor ging, welche er 2011 durch eine „Perfect Season“ führte. 2010 war er Equipment-Manager der Frauennationalmannschaft. Sobald es Thorsten gesundheitlich wieder möglich war, hat er das Coaching der Jugendmannschaft noch bis Anfang 2016 weiter unterstützt.
Bullets:
Gibt es etwas, das dir in all den vielen Bullets Jahren als Spieler/Coach besonders in Erinnerung geblieben ist?
Thorsten:
Na wenn du so fragst, der 80. Geburtstag von Lotti Huber. 🙂 Wir sind damals dort hingefahren als erster Verein aus dem Osten und standen in voller Ausrüstung auf der Bühne. Lotti hatte mit einer Rose immer über den Tiefschutz unseres jungen QBs gestrichen und jeder kann sich ja vorstellen wie das ausgesehen hat. Das Publikum hat getobt, Lotti gegrinst und unser QB bekam einen hochroten Kopf. Dieser Geburtstag war ein wirklich außergewöhnlicher Moment in der Geschichte der Bullets. Wir haben Lotti danach zur Ehren-Cheerleaderin gemacht, glaube aber nicht das sie davon jemals wusste.

Natürlich gab es auch Spiele, die mir in besonderer Erinnerung geblieben sind, wie das Spiel gegen die Berlin Bears, welche wir am Rande einer Niederlage hatten oder die Vizemeisterschaft mit den Flaggies. Einzelne Spiele nun aber besonders herauszustellen kann und möchte ich allein auf Grund der Vielzahl nicht tun und es wäre auch ungerecht gegenüber allen anderen Spielen.
Bullets:
Wir spielen nun schon viele Jahre auf dem Homefield der Sportanlage Cecilienstraße. Wie sind die Bullets zu diesem Platz gekommen?
Thorsten:
Anfangs haben wir auf vielen Plätzen im Bezirk trainiert und gespielt. Zu Beginn der 90er Jahre waren wir mehrfach wochenlang zu Besuch im Bezirksamt, da wir einen Kunstrasenplatz bekommen sollten. 1995 wurde dieser dann auch fertig und seit dem spielen wir dort. 2005 wurde der Platz durch den Bezirk saniert und ich ergriff die Gelegenheit bei der Gestaltung unsere Ansprüche mit einzubringen. Ich habe eine Zeichnung anfertigen lassen und bis auf die Endzonen wurde das auch so umgesetzt. Im Nachhinein betrachtet finde ich die roten Endzonen auch nicht mehr schlimm, wissen die Spieler wenigstens wo sie hinrennen müssen. 🙂 Mit diesem Platz waren wir auch der erste Kunstrasenplatz mit einer vollständigen, permanenten Yard-Markierung. An dieser Stelle möchte ich auch dem Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf einen großen Dank aussprechen, dass wir einen super Platz bekommen haben.
Bullets:
Nicht nur sportlich warst du engagiert. Bis Ende 2016 warst du auch Abteilungsleiter und hast die „Geschäfte“ geführt. Seit wann warst du in diesem Amt und wie beurteilst du deine Arbeit zurückblickend?
Thorsten:

Erstmals bin ich kommissarisch 2003 als Abteilungsleiter in den Vorstand gegangen. Mit der Wahl 2004 wurde dies durch die Mitglieder bestätigt. Ich habe mich in meinem Amt immer um alle Teile der Bullets gleichermaßen bemüht. Mein Ziel war es, keinen Mannschaftsteil zu bevorzugen oder hinten runter fallen zu lassen. Das dies nicht immer möglich war, ist eine andere Geschichte. Aber ich habe immer versucht, ausgleichend zu handeln.
Den Umgang mit mir 2016 und die damit verbundene Abwahl fand ich persönlich sehr unwürdig. Ich hätte noch viele Ideen, um den Verein weiter voranzubringen, habe aber aus den Vorkommnissen die Konsequenzen gezogen und das Amt im November 2016 zur Verfügung gestellt. Momentan kann ich mir eine weitere Zusammenarbeit nicht vorstellen. Wenn ich aber das Gefühl habe, ich werde wieder gebraucht, bringe ich mich auch gerne wieder mit ein.
Bullets:
Wir hatten dich gebeten, dir vier Zahlen zu überlegen, Welche du mit den Bullets verbindest. Welche sind dies und warum?

Thorsten:
#92 das Gründungsjahr, #6 das Jahr bei den Berlin Thunder, #10 da ich im Jahr 2010 Equipment-Manager der Frauen-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Schweden war. #75 meine Spielernummer die im Verein, nach Ende meiner Spielerkarriere, eine gesperrte Nummer ist.
Frage zu #6
Was wolltest du werden als du ein Kind warst?
Thorsten:
Keine Ahnung, ist schon zu lange her.
Frage zu #10
Was ist dein größtes Geheimnis?
Thorsten:
Das große Geheimnis, bleibt mein Geheimnis.
Frage zu #92
Hattest du schonmal eine Nahtoderfahrung?
Thorsten:
Ja, 2011 bei meinem Schlaganfall.
Frage zu #75
Was ist das erste, was du nach dem Aufstehen tust?
Thorsten:
🙂 Pinkeln gehen.
Bullets:
Zum Abschluss noch 10 schnelle Fragen an dich.
Kaffee oder Tee? Antwort: Kaffee,
Auto oder ÖPNV? Antwort: Auto, wenn ich´s könnte,
grün oder weiß? Antwort: weiß,
Großstadt oder Land? Antwort: Großstadt,
Adler oder Rebels? Antwort: Adler,
Buch oder Film? Antwort: früher Buch heute Film,
Android oder Apple? Antwort: Android,
Fleisch oder Gemüse? Antwort: Fleisch,
süßes oder salziges? Antwort: süßes,
Ordnung oder Chaos? Antwort: Kleine Lichter halten Ordnung, Genies beherrschen das Chaos.
Bullets:
Danke Thorsten für die Einblicke, die du uns in dein Footballleben gewährt hast. Eins musst du uns aber noch verraten: Warum nennen dich alle „Dad“?
Thorsten:
Naja, weil ich mich um alles und alle gekümmert habe. Nicht um der Größte zu sein, sondern weil ich den Sport und den Verein für alle attraktiv und zugänglich machen wollte. Für einige war ich vielleicht auch sowas wie eine Ersatzvaterfigur.
10 Antworten auf „Auf ein Wort… Thorsten Kunert“
Oh Mann da bekommt man Pipi in den Augen! Tolle Erinnerungen an meinen Positionsnachbar „Dad“ – sehen uns hoffentlich am 03.09.?
Schwidi #79 (1991-1997)
Schönes Interview.
Auch von mir nochmal ein großes Dankeschön Dad. Und natürlich nicht zu vergessen auch an den Dad vom Dad. Er hat gerade in den Anfangsjahren viel für unseren Verein getan.
Die BULLETS sollten sich gut überlegen, wie man mit solch einem verdienstvollen Mirglied umgeht. Ohne seine Arbeit und sein Engagement würde es den Verein sicherlich nicht mehr geben. Bei allem was gewesen ist oder gesagt wurde, es wäre gerade im Jubiläumsjahr eine gute Gelegenheit für einen „Neustart“
An Dad: es war mir immer eine Ehre, dass Spielfeld mit Dir zu teilen!
Kalli #55
Hallo Thorsten.
Danke.
Danke das du mir das Spiel und die Lebensaufgabe American Football beigebracht hast.
Angefangen als Flaggi auf dem Sportplatz Allee der Kosmonauten bis hin zum aktuellen Sportplatz der Berlin Bullets.
Du warst Anderen und mir immer die prägende Person die uns auf und neben dem Platz aufgebaut hat.
Ach was waren das für tolle Zeiten gegen die Berlin Wildcats , Berlin Adler, Bulldogs und vielen mehr. Nun wohne ich schon sehr sehr lange nicht mehr in Berlin aber du bist immer noch Present in meinem Kopf. Nun als Lizensierter Trainer der Schwalmstadt Warriors gebe ich meine Erfahrungen aus dem 90 ‚er Jahren bis heute weiter. Und du bist maßgeblich daran beteiligt.
Deswegen einfach nur Danke für alles was du mir beigebracht hast. Danke.
Ich hoffe du kommst schnell wieder auf die Beine. Wenn einer das schaffst dann du.
Ich glaube an dich.
Liebe Grüße dein ehemaliger Spieler
Christian Seegert
Ps. Wenn du mal in Hessen bist, bist du herzlich eingeladen bei den Schwalmstadt Warriors
Danke Dad für alles was du mir beigebracht hast . Auch dafür Danke das du uns immer zum äußersten getrieben hast , ohne dich wären einige nicht das was sie jetzt sind oder wo sie sind . Ich hoffe wir sehen und bald wieder .
Danke Dad , für alles was du für Deine Bullets getan hast . Ich freue mich auf dich . Wir sehen uns am 3.9. .
Grüße von Hacki
Hallo Thorsten,
wow, du warst einer mit der Ersten und es gibt dich hier immer noch.
Vielleicht kannst du dich an mich erinnern !?
Ich war eine der beiden Mädels, die von Anfang an, sprich 1992-1994, mit dabei waren. Aber nicht als Cheerleader 😉
Ehemals Andrea Hoffmann, ich habe mit dem anderen Hoffmann das „Hoffmann-Team“ der Runningbacks gebildet. Unser damaliger Trainer hieß Frank, aus Chicago, erinnerst du dich ? Und die beiden Brüder Normen und Steven Lück. Normen war Schiedsrichter und Steven „der Junge für Alles“ .
Ich habe irgendwo noch Fotos aus diesen Zeiten, falls Bedarf für euer Archiv besteht, würde ich sie mal rauskramen und sie dir/euch zukommen lassen.
Liebe Grüße von der mittlerweile 42-jährigen
Andrea #48 (1992-1994)
Hallo, ich leite das an Thorsten weiter, falls er es nicht gelesen hat. Gerne kannst du mir die Bilder an pr-presse@berlin-bullets.de für unser Bildarchiv zusenden. Danke LG Frank
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